Der von Medjugorje aus nächste Grenzübergang nach Montenegro ist rund 100 km entfernt und der Weg dorthin macht richtig Spaß. Er führt uns ein Flusstal entlang, die Straße ist relativ schlaglocharm und der Verkehr gleich Null. Also lassen wir die Kühe fliegen und erreichen am frühen Nachmittag den bisher kleinsten Grenzposten unserer Reise.
Unsere erste Begegnung in Montenegro
In Montenegro drin sind wir ruckzuck, ein Blick, ein Stempel, fertig. Danach wird die Straße sogar noch besser, aber ein paar Kilometer weiter ist übergangslos plötzlich Schluss mit Teer. Genau an der Stelle steht ein 50-Schild und direkt daneben die Gesetzeshüter. Unsere Pässe zeigen wir gerne, aber was dann kommt, ist die Lachnummer schlechthin. Mich fragen sie freundlich, wo ich herkomme und lassen mich fortan in Ruhe, um sich umso ausführlicher mit Ralf zu beschäftigen. Er sei viel zu schnell gefahren, wird ihm zu verstehen gegeben, denn die 50 km/h würden seit der Grenze gelten, auch ohne Schild. Interessant – und woher sollen wir das wissen? Weil es natürlich auch keine Radarmessung gibt, malt der Polizist als „Beweis“ erst eine 72 auf ein kleines Stück Papier, streicht diese dann durch und ersetzt sie durch eine 77. Mit strengem Blick erklärt er, Ralf müsse 40 Euro irgendwo hin überweisen.
Ich lustigerweise nicht, denn obwohl ich direkt hinter Ralf und damit im gleichen Tempo unterwegs war, bin ich keinesfalls in Konflikt mit dem Gesetz unseres neuen Gastlandes geraten. Ich schmunzle in mich hinein, während der arme Ralf zugetextet wird. Als er nach vielen Worten immer noch keine Anstalten macht, sein Portemonnaie zu zücken, nimmt der Polizist ihn mit zu seinem Auto und erklärt ihm dort nochmal das Gleiche „unter vier Augen“. Ralf stellt sich weiter dumm und das Ende vom Lied: Wir zahlen gar nix. Der andere Polizist erklärt mit erhobenem Zeigefinger, dass sie zum letzten Mal Gnade vor Recht ergehen lassen. Ab sofort sollen wir aber bitteschön 50 fahren. Wir nicken ergeben, sind entlassen und schleichen grinsend von dannen.
Von LKWs, Schreinern und Friseuren
Die Baustelle zieht sich über die nächsten bestimmt 15 km und bietet in Sachen Straßenbelag einiges an Abwechslung. Nette Naturpiste, normaler Schotter, aber auch aufgeschichtete Teerbrocken und komische tiefe Passagen mit allem möglichen Zeug. Letztere kommen daher, dass massenweise richtig fette LKWs ohne Rücksicht auf Verluste hier durchbrettern und den losen Untergrund zusammenschieben – von wegen 50 km/h. Der Grenzverkehr von Montenegro in Richtung Bosnien ist nämlich erstaunlicherweise recht dicht und besteht zu fast 100 Prozent aus ebendiesen LKWs. Vermutlich müssten die an den anderen Grenzen zu lange warten und wählen deshalb diesen Mini-Grenzposten mitten im Nichts. Eine andere Erklärung fällt uns nicht ein.
Nach der Baustelle kommen wir schneller vorwärts und rollen am späten Nachmittag auf die kleine Fähre von Kamenari nach Lepetane.
Unser Ziel heißt Tivat, da haben wir beim Mittagessen für die nächsten drei Tage eine kleine Ferienwohnung gemietet. Ich muss nämlich früher als erwartet einen Arbeitstag einlegen und einen Artikel für „meine“ Schreinerzeitschrift schreiben. Ralf will die Zeit nutzen, um auf Sommerfrisur zu wechseln, und Wäsche waschen müssen wir auch.
Unsere Vermieterin Tamara empfiehlt ihre eigene Friseurin Slavica und beschreibt Ralf den genauen Weg dahin, Nachdem ich mich den ganzen Vormittag für die Schreinerzeitschrift mit Dunstabzugshauben beschäftigt habe, kann ich ebenfalls einen Ortswechsel gebrauchen und begleite ihn. Auf dem Weg ins Dorf verstehe ich langsam, dass man hier tatsächlich eine Friseurempfehlung braucht, um im Dschungel der vielen Angebote nicht den Überblick zu verlieren. Ein Salon reiht sich an den anderen und fast überall sitzen Kunden. Irgendwie scheinen die Menschen in Montenegro sehr viel Wert auf einen guten Haarschnitt zu legen. Während Ralf bei Slavica ist, setze ich mich mit meinem Laptop in eins der vielen Cafés an der erstaunlich mondänen Hafenpromenade. Mit netter Aussicht und einem leckeren Getränk arbeitet es sich gleich viel besser, auch wenn das Thema immer noch die Dunstabzugshauben sind.
Als Ralf wieder schick ist, bummeln wir ein bisschen durch Tivat und beschließen den Abend bei einem Glas Wein mit unterwegs gekauften Leckereien auf unserem kleinen Balkon.
Die Bucht von Kotor – der südlichste Fjord Europas
Mein Dunstabzugshauben-Artikel ist abgegeben, deswegen dürfen wir heute Motorrad fahren. Tamara legt uns das Njegoš-Mausoleum ans Herz, aber statt der letzten Ruhestätte irgendeines bedeutenden Herrschers wollen wir lieber die berühmte Bucht von Kotor sehen und den Pass mit den vielen Kehren fahren. Kotor selbst erkunden wir eher ungewollt, weil wir den Einstieg in den Pass erst nicht finden. Aber gut, ist das auch schon erledigt. Den autofreien Teil der Stadt heben wir uns für wann anders auf. Der Pass ist atemberaubend, in jeder Kehre gibt es neue Ausblicke – wir könnten immerzu anhalten und fotografieren, was wir auch ausgiebig tun.
Je höher wir kommen, umso mehr erinnert uns die Bucht von Kotor an Norwegen. Vor allem ist Ende April kaum jemand hier unterwegs, wir haben also die ganze tolle Landschaft quasi für uns alleine.
Oben angekommen zweigt rechts eine Sackgasse ab, die noch höher führt und einfach mit einem Schild „Lovćen 12 km“ gekennzeichnet ist. Es geht noch ein ganzes Stück höher in den gleichnamigen Nationalpark. Mittlerweile sind wir mutterseelenallein und sehen nicht nur die Bucht von Kotor, sondern auch die dahinterliegenden Inseln, Landstücke und Wasserstraßen – ein Traum, der genauso gut in Norwegen beheimatet sein könnte. Die oft gehörte Bezeichnung „südlichster Fjord Europas“ ist also keine Übertreibung, sondern echt Tatsache.
… und wir besuchen Petar II. doch noch
Auf halbem Weg wieder runter zum Pass zweigt noch ein Weg in die andere Richtung ab. Wir sind neugierig und werden nicht enttäuscht, auch wenn Kotor nun aus dem Blickfeld verschwunden ist: Ein kleines Sträßle, tolle Ausblicke in die andere Richtung und kein Mensch unterwegs, einfach nur schön. Auch hier geht es immer weiter nach oben und wir staunen nicht schlecht, als plötzlich Schnee rechts und links der Straße liegt.
Oben auf dem Gipfel ist eine Art Festung, das darunterliegende Café mit Souvenirshop wird gerade für die Saison hergerichtet. Erstaunt stellen wir fest, dass wir genau dort sind, wo wir gar nicht hinwollten – beim Njegoš-Mausoleum. Der hier begrabene Petar II. Petrović-Njegoš war nicht nur Bischof, Fürst und Begründer des modernen Montenegro, sondern auch einer seiner bedeutendsten Dichter. Seine Grabkapelle wurde im 1. Weltkrieg zerstört und erst 1974 durch das heutige Mausoleum ersetzt. Mit Eindrücken und Informationen gefüttert geht es wieder den Berg herunter. Es dauert aber noch eine ganze Weile, bis wieder wieder am Meer sind. Alles in allem ein richtig genialer Tag.
Goodbye Montenegro – Albania, here we come
Am nächsten Tag geht unsere kurze Zeit in Montenegro schon wieder zu Ende, Albanien wartet und wir wollen endlich mal zelten. Unser Weg führt erstmal nach Süden am Meer entlang. Bei Budva biegen wir zum Skutarisee ab, um an dessen Südufer nach Osten zu fahren. Auch dieses Sträßle begeistert uns total. Wieder kaum Leute unterwegs und die in Ansätzen vorhandene touristische Infrastruktur noch im Winterschlaf. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: einfach nur schön.
In Ostros setzen wir uns in eine Taverne, die auch von der örtlichen Polizei frequentiert wird, und lernen die gemütliche Seite der Gesetzeshüter kennen. Die haben echt Zeit ohne Ende – immer mal wieder hält wer auf ein Schwätzchen an und so sind wir lange mit dem Essen fertig, bis die Jungs endlich aufbrechen. Wir auch, denn von hier sind es nur noch ein paar Kilometer bis zur albanischen Grenze.
Trotzdem genug, dass die Landschaft sich nochmal total verändern kann – wir kommen uns fast vor wie im Regenwald, alles grün, überall Wald und immer noch kaum Dörfer. Irgendwo aus dem Grün ragt ein einsamer, ebenso grüner Berg, dahinter liegt irgendwo Albanien.
Unser Fazit:
Montenegro ist auf jeden Fall eine Reise wert. Wir kommen wieder, garantiert, und dann nicht nur zum Arbeiten und Haareschneiden – versprochen!
Wie immer schön geschrieben. Montenegro & Albanien haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Möchte da gerne nochmal hin.
Ja, wir auch – uns fehlt ja der ganze Norden und von Albanien auch jede Menge, waren ja diesmal nur „Durchfahrländer“ 🙂