Der 3. Oktober fällt günstig auf einen Dienstag und wir haben dieses Jahr eh Nachholbedarf in Sachen Urlaubsfeeling – beste Voraussetzungen für ein langes Wochenende auf zwei Rädern. Nur wohin? Schwarzwald, Frankreich, Gardasee, überall ist Regen angesagt. Und bis zum Fernwehtreffen nach Brohm sind es über 800 km einfache Strecke, also auch nix für „mal eben“. Aber wo ein Wille ist, findet sich auch ein Ziel. Intensives Studium des Wetterradars bringt schließlich die Erleuchtung: Lago Maggiore!
Dort waren wir ewig nicht, es soll trocken bleiben und Urlaubsfeeling ist in Bella Italia ja sowieso inklusive. Zelt oder Zimmer? Wir entscheiden uns in Anbetracht der ohnehin schon knappen vier Tage für leichtes Gepäck. Außerdem trauen wir dem Wetterradar nicht so ganz. Am Gardasee Regen, am Comer See Regen, am Genfer See auch und ausgerechnet mittendrin am Lago Maggiore soll es schön sein? Naja, wir werden sehen…
Tag 1: Von abgefahrenen Reifen und ganz viel Hilfsbereitschaft
Am Freitag steht die Tour nochmal kurz auf der Kippe, weil mein bestellter Vorderreifen nun doch nicht lieferbar ist. Shit, wenigstens Bescheid sagen hätten sie können, oder? Eine Alternative muss also her. Dass in Stuttgart jemand einen Mitas E07 auf Lager hat, ist natürlich utopisch, aber trotzdem telefoniere ich alle Händler ab, in der Hoffnung, einen anderen, wie auch immer gearteten kompletten Satz Reifen zu bekommen. Keine Chance, wie mir die Jungs einstimmig zu verstehen geben: Im Oktober legt sich keiner mehr Motorradreifen auf Lager.
Die Rettung kommt aus dem Bekanntenkreis: Ingmar hat einen neuen Satz TKC 80, den er gerade nicht braucht. Und sein Reifenfuzzi ist auch kurzfristig bereit, mir die am Samstagmorgen noch aufzuziehen. Gebongt! So kommen wir ganz nebenbei noch zu einem superleckeren Frühstück, können Ingmars neueste Fuhrparkerweiterung bestaunen und uns live und in Farbe davon überzeugen, dass der Nachwuchs in Marions Bauch wächst und gedeiht. Ganz lieben Dank nochmal an euch beide!
Kurz vor Mittag überlassen wir Ingmar der zu schneidenden Hecke, Marion muss nach Reutlingen und wir machen wir uns bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg Richtung Süden. Bis an den Lago Maggiore kommen wir heute ganz sicher nicht mehr, deswegen buchen wir auf die Schnelle einen Landgasthof im Südschwarzwald und haben plötzlich ganz viel Zeit.
Kleine Sträßle, blauer Himmel und schon wieder Reifen
Willkommen in der schönen Welt der Landmaschinentechnik – so mein Eindruck nach den ersten paar Kilometern mit dem TKC. Ich hatte auf der Basic ja noch nie „richtige“ Stollen und habe somit keinen Vergleich. Muss das echt so rumpeln? Aber frau gewöhnt sich an alles und irgendwann kann ich die Kurven wieder genießen. Der Südschwarzwald gibt ungefragt seinen Teil dazu: leere, kleine Sträßle, leuchtende Sonnenblumenfelder, viel Grün – einfach herrlich.
Weniger toll ist die Entdeckung, die Ralf bei einem kurzen Stopp macht: Die Schwinge meiner Basic ist voller Reifenabrieb. Das Rumpeln lag also nicht nur an der ungewohnten Bereifung. Ein wenig genauer geguckt und der Auslöser ist gefunden: Mein neuer Hinterreifen scheuert im eingefederten Zustand am Federbein. Wie kann das sein, tat der alte ja auch nicht??? Wir sind ein wenig ratlos, fahren aber erstmal die letzten 30 km bis zum Tagesziel, denn mittlerweile ist so viel vom Reifen weg, dass sich der Abrieb in Grenzen hält. Und an der beachtlichen Hitzeentwicklung können wir auf die Schnelle eh nix ändern.
Gute Entscheidung, denn kaum stehen die Mopeds unter dem schützenden Dach des Landgasthof „Schwanen“, wird es nicht nur schnell dunkel, sondern von oben auch ziemlich nass. Wir müssen sowieso erstmal recherchieren, wo der Fehler liegen könnte, also verschieben wir das Schrauben auf morgen. In der Zweiventilergruppe in Facebook bekommen wir den entscheidenden Tipp, den wir trotz Regen am Moped verifizieren – die Werkstatt meines Vertrauens hat tatsächlich das Federbein falschrum eingebaut. Für den Mitas hat der Abstand wohl gerade gereicht, aber der TKC scheint etwas breiter zu sein. Ärgerlich, aber besser als alle anderen Möglichkeiten, denn das können wir morgen leicht ändern. Unsere Tour kann also weitergehen – wir feiern mit einem leckeren Abendessen und einem guten Roten vom Kaiserstuhl.
Tag 2: Durch die Schweiz nach Italien
Gut, dass wir so früh aufgestanden sind, denn die Schrauberaktion kostet doch mehr Zeit als gedacht. Wir müssen sogar unseren Wirt um Werkzeug bitten, denn wir haben weder den 15er zum Federbein lösen noch ein Radkreuz für den Ausbau des Hinterrades dabei. Aber er hilft uns gerne aus und schließlich sitzt das Federbein richtig – siehe da, das Scheuern ist weg. Glück gehabt.
Wir wünschen uns vom Navi kurvenreiche Strecke mit Zwischenziel Gotthard. Diesen Pass sind wir noch nie bei schönem Wetter gefahren und heute stehen die Chancen dafür gar nicht mal so schlecht. Durchs Aargau und westlich an Zürich vorbei touren wir gemächlich durch die sonntäglich ruhige Schweiz. Ab dem Zuger See wird es etwas voller, dafür aber landschaftlich schöner – wir sind in den Bergen. Die Kehrseite: Je höher sich die Kurven Richtung Andermatt schrauben, desto näher kommt auch der tief hängende Nebel. Erst noch in fotogenen Fetzen vor blauem Himmel, aber bei der Auffahrt auf den Gotthard ist die Sicht plötzlich gleich Null. Ohne Sonne fällt auch die Temperatur recht schnell in den einstelligen Bereich – wieder nix mit schönem Wetter hier oben.
Obwohl Ralf keine 10 Meter vor mir fährt, mutiert sein wirklich helles LED-Rücklicht im dichten Nebel zur schwachen Funzel, der Rest seiner Basic ist gänzlich unsichtbar. Wir schleichen vorsichtig durch die Waschküche und erschrecken mehr als einmal, weil die entgegenkommenden Autos immer so unvermittelt direkt vor uns auftauchen. Irgendwann geht es wieder bergab, ohne dass wir die Passhöhe zu Gesicht bekommen haben. Unter Fahrspaß verstehe ich echt was anderes, zumal nun nasses Kopfsteinpflaster angesagt ist, das schon ohne Nebel nicht zu meinen Lieblings-Straßenbelägen zählt. Aber wir sind ja leidensfähig und nach ein paar Kehren auch wieder unterhalb des Nebels. Kurze Pause, aufatmen, die verspannten Glieder durchschütteln, dann geht es zügig Richtung Italien.
Biasca, Bellinzona und kurz vor Lugano kommt endlich der Lago Maggiore in Sicht. Die Hotel-App unseres Vertrauens verkündet, dass die Region heute zu 94 Prozent ausgebucht ist. Wir überlegen kurz, in Lugano zu bleiben, aber die Schweiz schießt sich mit ihren Zimmerpreisen wieder mal selbst ins Aus. Also auf nach Italien, sind ja nur noch ein paar Kilometer, die auf der kurvigen Straße am See entlang sogar richtig Spaß machen. Mittlerweile ist es fast dunkel und es ist kaum noch jemand unterwegs. In Verbania befragen wir nochmal die schlaue App und haben kurze Zeit später ein schönes, bezahlbares Hotelzimmer. Die Basics stehen auf dem Parkplatz in Gesellschaft von drei 1200er GS und einer Fireblade – den Reisebus mit der bayrischen Rentnergruppe sehen wir zum Glück erst später. Den Rest des Abends verbringen wir mit leckerer Pizza und dem passenden Rotwein in einem netten Restaurant direkt am See.
Tag 3: Dolce Vita am Lago Maggiore
Heute haben wir richtig Urlaub – wenn auch nur für einen Tag. Der startet mit einem für italienische Verhältnisse sehr reichhaltigen Frühstück und der Feststellung, dass zwei der drei BMW-Fahrer aus Waiblingen kommen. So klein ist doch die Welt. Die beiden sind typische GS-Fahrer und können es kaum fassen, dass wir mit unseren alten Gurken noch so weite Strecken zurücklegen. Von Nepal erzählen wir denen also besser mal nicht *grins*.
Unser heutiges Programm: Kleine und kleinste Sträßchen westlich vom Lago Maggiore, kein Stress, einfach nur genießen. Am Lago d’Orta kommen uns die beiden GS’ler entgegen und winken, also biegen wir sicherheitshalber mal ab. Die Gegend ist super, wir zuckeln gemütlich von Dorf zu Dorf und genießen die dunklen Wälder ebenso wie die häufigen Ausblicke auf die Seen, mal den Orta, dann wieder den Maggiore.
Gegen halb drei halten wir an einem Lokal in the middle of nowhere und fragen nach etwas zu essen. Der Wirt meint, er habe den Koch schon nach Hause geschickt, weil heute den ganzen Tag noch keiner etwas zu essen gewollt hätte. Aber er könne uns gerne eine kalte Platte mit Schinken, Käse und Brot machen. Hört sich gut an, also setzen wir uns an den eigens für uns hergerichteten Tisch. Der Wirt verschwindet in der Küche, kommt aber alle paar Minuten wieder raus, weil ihm etwas Neues eingefallen ist, was er uns noch machen könnte so ohne Koch. Am Ende bekommen wir ein Drei-Gänge-Menü: Zuerst die Spezialität des Hauses – warmen, fritierten Pizzateig mit Parmaschinken und Rucola, dann die angekündigte kalte Platte und zum Abschluss gibt es noch eine Dessertauswahl zum Espresso.
Kugelrund und zufrieden steigen wir wieder auf die Mopeds und geben uns für den Rest des Nachmittags die volle Dröhung Urlaubsfeeling. Zum Schluss wieder ein Stück auf der Straße am See entlang und dann sind wir wieder in Verbania, wo wir diesmal die Mopeds mitnehmen zum Ufer, um den Sonnenuntergang zu genießen und die Leute zu beobachten, die an der Promenade entlang flanieren. Hach, ist Urlaub schön. Und es war den ganzen Tag trocken, der Wetterbericht hatte also Recht.
Tag 4: Wir müssen schon wieder heim!
Heute ist der 3. Oktober und morgen ist schon wieder Arbeit angesagt. Wir sind ganz neidisch auf die GS-Jungs, die weiterfahren ans Meer. Aber hilft ja nix, also genießen wir nochmal den leckeren Frühstücks-Cappuccino und satteln dann die Basics für die knappen 500 km nach Hause. Am See entlang macht es genauso viel Spaß wie auf der Herfahrt, obwohl deutlich mehr Verkehr ist. Bis Biasca kennen wir die Strecke, dort nochmal tanken und dann kommen uns schon die Autos mit laufendem Scheibenwischer entgegen. Also Regenkombi an und weiter.
Der Lukmanierpass ist die einzige Möglichkeit, die Alpen in Nord-Süd-Richtung unter 2000 Höhenmetern zu überqueren und deshalb die Strecke unserer Wahl. Wenn es schon regnet, dann wollen wir wenigstens halbwegs angenehme Temperaturen haben. Die Rechnung geht auf und – was uns wirklich wundert – wir begegnen über den ganzen Pass höchstens drei Autos und ein paar Baustellenfahrzeugen. Die meisten Leute fahren wohl Gotthard oder Bernadino. Soll uns Recht sein.
Die Fahrt durch die rätoromanischen Dörfer ist ereignislos, daher erfreue ich mich an der netten Schreibweise aller möglichen Dinge in dieser seltenen Sprache. In Chur halten wir beim goldenen M zwecks Mittagessen, Regensachen ausziehen und trocknen. Der Himmel ist wieder blau – sehr schön. Durch Liechtenstein sind wir schnell durch und dann beginnt das lange Leiden in Österreich. Stau von Feldkirch bis Lindau. Wir können einiges umfahren, aber nun wissen wir wieder, warum wir diese Strecke seit Jahren meiden.
Mittlerweile ist es kalt und dunkel – deswegen nehmen wir von Lindau aus stumpf die deutsche Autobahn, langweilig, aber auch anspruchslos. Gegen 21.00 Uhr stehen die Basics wieder in der heimischen Garage und wir sitzen bei einer warmen Suppe am Esstisch. Und sind uns einig – trotz der langen, nassen und nervigen Rückfahrt hat sich unser Mini-Urlaub am Lago Maggiore gelohnt.
Tolle Bilder und ein sehr interessanter Bericht
Danke dir 🙂